Doppelkopf-Strategien: Kontradulle für lauffähige Asse verbraten?

Friedrich, 27. Dezember 2012, um 08:36

Hallo zusammen,

schon mehrfach las ich Beiträge durchaus spielstarker FTler, in welchen diese die Ansicht vertreten, dass ein bis zwei lauffähige Asse in der Regel keine Rechtfertigung für einen Einsatz der Kontradulle bei Trumpferöffnung darstellen würden.

Im letzten Beispiel, welches mir einfällt, sah es gar in etwa folgendermaßen aus:

Hochzeit an Position 4:
1. Stich Pik-AssPik-NeunPik-NeunPik-König
2. Stich Karo-Neun
Teilweise wurde die Ansicht vertreten, dass selbst eine Kombi aus Kreuz- und Herzass an Position 2 die Dulle nicht rechtfertigen würde.

Als Laie sehe ich die Vorteile:
- immerhin ca. 20 bis 23 Punkte auf die Dulle
- darin enthalten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Partnerfuchs
- Aufspielmöglichkeit für gleich beide verbliebenen Farben

Nun fragt sich also dieser Laie, ob er denn wohl einen vernünftigen Grund hat, anzunehmen, dass er seine Kontradulle im weiteren Spielverlauf wirklich NOCH sinnvoller wird einsetzen können.

Ich würde Euch bitten, mir hier mal ein paar Sichtweisen zum Thema Kontradulleneinsatz zu hinterlassen. Es wäre schön, wenn Ihr dabei nicht die Beispielhochzeit in den Fokus rücken, sondern die Frage nach der Kontradulle für Asse mehr allgemein betrachten würdet. Da dies ja kein seltenes Szenario ist, hätte ich nämlich gern ein paar Anhaltspunkte dafür, wann ich mir den Dulleneinsatz in Zukunft leisten werde und wann nicht.

Beste Grüße
Leif

Kokolores, 27. Dezember 2012, um 10:10

Ich persönlich halte es mit dem Grundsatz: Dulle sollte mindestens 30 Augen machen oder die schwarze Dame des Gegners rausnehmen, am besten beides.

1 Ass einer noch nicht gelaufenen Farbe allein ist mir da zu wenig. Aber wenn du Dulle und 2 lauffähige Asse hast - warum fragst du nicht erst einmal nach hinten auf eine Partnerdulle? Die vielleicht die Redame rausnehmen kann? Wer Trumpf ausspielt hat ohnehin keine Einzelasse, Partner kann erst eigene Asse fahren und dich dann anschieben.

Außerdem frage ich mich immer, warum jemand Trumpf anspielt - einfach weil er re ist? Oder ein Spieler, der nur bei ausgesprochener Trumpflänge Trumpf anfasst, ggfs. bei schwarzer Stechfarbe? Dem wiederum würde deine "verschossene" Dulle direkt die Absage(n) erleichtern.

Kannst du dir aufgrund der restlichen Blattstruktur den Dulleneinsatz leisten?

Eine pauschale theoretische Antwort habe ich deshalb nicht parat, es hängt viel von den Mitspielern und der Spielsituation ab.

Friedrich, 27. Dezember 2012, um 10:27

Danke erstmal Kokolores.
Natürlich kann man das Problem nicht pauschal behandeln, allerdings bin ich bereits für ein paar tendenzielle Überlegungen dankbar.
Für deinen Gedanken, nach hinten zu fragen, gilt dies dann halt unter dem Vorbehalt, dass Blattstruktur und Sitz dies zulassen.

Den "Grundsatz", dass die Dulle 30 Augen oder schwarze Dame einsammeln sollte, möchte ich ein wenig in Frage stellen. Natürlich ist dies immer wünschenswert - mehr meiner Ansicht nach aber zunächst einmal nicht.

Dass die früh für wenig direkte Punkte "verbratene" Kontradulle schlussendlich mehr kostet als einbringt, ist zunächst einmal nur eine gängige Theorie, oder gibt es hierzu Statistiken?
Viele gute Spieler lassen sie stecken, aber ergibt sich in mehr als 50 Prozent der Fälle wohl wirklich ein Vorteil daraus?

Ex-Füchse #4596, 27. Dezember 2012, um 10:52

Die Dulle sorgt für die Trumpfkontrolle oder verhindert sie bei der Gegenpartei. Wird sie leer gesetzt gibst Du sie oft mit fatalen Folgen auf. Gerade wenn bereits ein As gelaufen ist hast Du eine 50% Chance, daß das 2te As Deiner Nachspielfarbe beim Partner sitzt, Du gibst die Trumpfkontrolle also für eine Farbe auf die ihr eh im Griff habt. Oder sie is halt der Grund für das Trumpfnachspiel, der Aufspieler is in der Farbe frei und spielt die näxte Trumpfrunde sicher zum Re- Partner.

Lottospieler, 27. Dezember 2012, um 10:53

ich halte mich daran: für kurze schwarze Asse bis maximal 2 mal besetzt und für ein blankes Herz As (besonders wenn ich 2 Asse verschiedener Farben habe) investiere ich als Kontra die Dulle als Re immer, auch für ein Einzelas beliebiger Länge.

Lottospieler, 27. Dezember 2012, um 10:57

stimme Noddy zu: Kontra-Dulle lohnt nur für ein erstes Anspielas bis vlt zur maximal erwähnten Länge (man darf da natürlich unterschiedlicher Meinung sein)

Stoni, 27. Dezember 2012, um 11:52

Die Re-Dulle ist sicher leichter einzusetzen.
In meinen 20 Anfängertipps habe ich strikt empfohlen, auch als kontra die Dulle zu nehmen, wenn man gut spielbare Asse hat. Das sollte auch die Beginner-Variante sein.
In weiter entwickeltem Spiel ist meist der Verzicht der Kontra-Dulle zu empfehlen, sie also nicht leer zu setzen, gerade wenn eine schwarze Farbe schon gelaufen ist.
Das hat verschiedene Gründe. Wie Micha erwähnte, ist die Wahrscheinlichkeit bei 50%, dass der Partner das andere schwarze As hält.
Abhängig mache ich das aber auch, ob Trumpf mit Re gespielt wurde. Denn dann ist zusätzlich damit zu rechnen, dass der Anspieler die 2. Farbe sticht. Ohne Grund wird er nicht Trumpf angespielt haben. Normal ist die Chicane Pflicht.
Wenn Trumpf aus Stärke mit Ansage gespielt ist, macht die leer gesetzte Kontra-Dulle für Re den Weg zu Tiefabsagen frei. Bleibt sie auf der Hand verhindert sie i.d.R. 1-2 Absagestufen.
Bei einer HZ wie hier ist zu sehen, ob der Anspieler Re gegeben oder abgefragt hat ... oder warum er nicht Pik nachgespielt hat...
Ich würde hier auch abfragen.

Tront, 27. Dezember 2012, um 16:32

Als Re-Mann setzte ich bereits die Dulle gern für ein einziges schwarzes As und falls der Aufspieler mir als Trumpfvorspieler (hauptsächlich bis fast ausschließlich) als Re-Mann bekannt ist, gebe ich noch meist ein eigenes Re, obwohl ja bekannt ist, dass ich im ungekehrten Falle die Dulle ohne vorher abzufragen so gut wie niemals einsetzen würde.

Durch meine Re mit meist sofortigem Weiterspiel, falls meine Karte nicht mehr hergibt, wissen meine Partner auch, dass meine Ansage nicht mehr als ein reines "Erkennungs-Re" ist, ob mal wieder einen neuen Ausdruck einzuführen. Also eine oder weitere (Tief)-Absagen möchte ich nur dann hören, falls mein Partner selbst ein überdurchschnittliches Trumpfvorspiel hatte.

Wenn ich selbst stärker sein sollte, werde ich entsprechend ein Zögern vor meiner weiteren Fortsetzung vornehmen. Für mich logisch, nur eben nicht für alle Spieler einleuchtend.

Jetzt zum eigentlichen Thema:

Natürlich kommt es immer als Kontraspieler auf die Gesamtkonstellation des eigenes Blattes an.

1) Kann ich gegen ein vorgenommenes Trumpfausspiel selbst still abfragen?
2) Ist bereits ein schwarzes As gelaufen oder noch gar keines, weil im ersten Stich Trumpf angespielt wurde?
3) Ermögliche oder verhindere ich eher durch das Legen meiner Dulle eine Erstansage der Gegenpartei?
4) Selbst abfragen und dennoch die Dulle nicht setzen, ist dies ebenfalls eine mögliche Option?
5) Oder aber sich gar nichts anmerken lassen und einfach schauen, wie sich das Spiel entwickelt?

Diese möglicherweise auftretenden Fragen sollte man bereits so oder ähnlich vor einer Gesundmeldung mit einbeziehen, um ggf. nicht im laufenden Spiel überfordert zu sein. Natürlich könnte man während des Spiels auch noch zögern (überlegen), nur würde das an guten Tischen sofort als eine Abfrage interpretiert werden. Dazu sollte man besser vorher prüfen, will man das mit dem vorliegenden Blatt überhaupt?

Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass eine Dulle oft verschwendet ist, um sie für sogar meist besetzte Asse zu legen. Daher frage ich entweder mit entsprechender Karte auf die andere Dulle ab (ich lege die Maßstäbe für eine Abfrage ja nicht ganz so hoch an wie der Durchschnitt - meine Erfahrung) oder ich lege mein Dulle oft gar nicht mit schlechteren Blättern. Mein Partner kann die Asse, die ich halte, ebenfalls haben und die Dulle wäre verschenkt. Da lasse ich lieber mal den Gegner zum Zuge kommen und behalte zumindest die Trumpfkontrolle. Asse können bekanntlich auch abgestochen werden. Der noch erhaltene Spitzentrumpf (die Dulle), der entweder schwarze Damen schlagen soll und/oder 30 Augen einsammelt, ist im weiteren Spielverlauf deutlich häufiger gewinnbringender einzusetzen als zunächst leer für "nur" 1 - 3 zu spielende Asse.

Erst kürzlich habe ich mit Erfolg auf ein Trumpfvorspiel im ersten Stich meine Dulle als 7-Trümpfer bei 2 blanken Assen (Pik und Herz) als Kontramann an Postion 2 nicht gelegt, sondern nur abgefragt und keine Antwort erhalten. Der Re-Partner erreiche jetzt zwar das Anspiel, nur hielt er selbst nur ein Kreuz-Doppel-As und die Re-Partei konnte das Spiel nicht gewinnen, die beiden anderen Asse, die ich blank hielt, hatte mein Kontra-Partner. Dies ist auch gar nicht so unwahrscheinlich, denn der Ausspieler hat schon man kein Einzel-As und warum soll der Re-Mann die übrigen Asse alle halten.

Selbst wenn er das Anspiel unter Einsatz eines hohen Trumpfes erreicht, weiss er immer noch nicht, ob sein As auch wirklich läuft und in der Praxis geht ein Re-Mann ohne weiteren Trumpfstärken an Postion 3 auch gar nicht zwingend an den Trumpfstich heran, weil dann ein Gegenspieler zum Ansagezeitpunkt einen seiner wenigen hohen Trümpfen herausnehmen könnte, d. h. ein Kontraspieler an Postion 4 erreicht manchmal "kostenlos" sein Anspiel und kann danach noch entscheiden, ob er im Falle einer stillen Abfrage von Spieler 2 jetzt sogar noch ein Kontra folgen lässt. Alles, weil Spieler 2 seine Dulle geschont hat. Es wird natürlich auch manchmal ein paar andere Spielverläufe geben, aber sie sind aus meiner Sicht seltener.

Hält mal wirklich einmal 3 lauffähige Asse mit Dulle als Kontraspieler auf der Hand (sehr selten) kann man die Dulle, nachdem man vorher abgefragt hat auch mal setzen, je nach Blattstruktur mit oder ohne einer eigene Ansage. Dem Partner hat man seine anteiligen Vorteile bereits "beschrieben" und ein mögliches Interesse an einer Ansage geweckt.

Zu guter Letzt habe ich noch die Erfahrung gemacht, dass durch das Legen einer Dulle (sehe es auch bei meinen Partnern leider noch zu häufig) eine Re-Ansage erst viel lieber getroffen wird, weil sie jetzt die Trumpfhoheit geniessen; die Begründung, dass ein Kontra-Mann nun seine Asse spielt, stört sie dagegen weniger, weil die Fehlabgeber ohnehin oft eingeplant waren, jetzt ist aber eine Dulle weniger im Spiel. Das hilft der sowieso stärkeren Re-Partei ungemein.

Ein allerletztes Argument, die Dulle nicht zu setzen, ist, dass mein Partner mir nicht zwingend (also eher gar nicht) einen Karovollen oder sogar den Fuchs so früh anvertraut, weil er meine Parteizugehörigkeit noch nicht kennt. Denkt er wie ich, würde er niemals einen Karovollen legen, denn eine Dulle kommt von Kontra ohne vorherige Abfrage nahezu nie.

Mag sein, dass diese Ansicht nicht von allen Spielern in diesen hohen Maße geteilt wird, denke aber tendenziell schon, dass diese Spielweise langfristig die erfolgreichere sein sollte.

Ansonsten gilt vielleicht noch mein alten Merksatz:

Wer (spielt) mit wem? Man kennt in der Regel die Mitspieler und deren Ansageverhalten und Vorlieben für oder gegen ein Trumpfausspiel. Wenn man sich darauf einstellt, kann man mit der entsprechenden Spielweise sich und seinem Partner eine Freude bereiten und nicht zuletzt auch einige Spiele zusätzlich gewinnen.

Selbst Stoni legt ja eine Kontra-Dulle für mögliche Einzelasse nicht mehr (eine der 20 goldenen Reglen, die tendenziell noch überarbeitet werden könnten) und Terry und einige weitere gute Spieler legen ebenfalls so gut wie nie eine "meist unentbehrliche" Dulle im Anfangsstadium. Da haben wir schon wieder was gemeinsam.

Falls es Spieler gibt, die dennoch ihre Dulle legen möchten, also Gegenstimmen höre ich sie mir gern an, jedoch nach Möglichkeit mit sinnvollen Begründungen.

Goldmurks, 27. Dezember 2012, um 16:56
zuletzt bearbeitet am 27. Dezember 2012, um 17:23

Ach, er nu wieder ...

Stoni, 27. Dezember 2012, um 18:56

Tront, einverstanden, ich würde nur die Nimm-Dulle-Empfehlung für Anfänger gerne beibehalten. Zum einen habe ich die Erfahrung gemacht, dass Trumpf auch ohne jede Chicane gespielt wird und zum anderen sind trumpfbasierte Ansagen und Tiefabsagen im Anfängerspiel so selten wie 20° am Heiligen Abend ...
Ich selbst habe die Kontra-Dulle an gutklassigen Tischen auch schon vor der Zusammenstellung der goldenen 20 meist geschont. Ich denke aber, man sollte die ersten 1.000 - 5.000 Spiele ruhig mit der Dulle beginnen. Und erst danach das Weglassen als überlegen entdecken.

Ex-Füchse #365, 28. Dezember 2012, um 09:00

Hm...
Warum nicht gleich damit beginnen richtig zu spielen?
Sich erst fehlerhafte Spielgewohnheiten anzueignen, die man später mühsam wieder abtrainieren muss, ist m.E. nicht der beste Weg.
Ist eine Spielweise gewinnbringend, dann ist sie das auch für Anfänger, ist sie es nicht, dann sollte man sie gar nicht erst praktizieren.

Kokolores, 28. Dezember 2012, um 10:24

Die wenigsten Spieler haben von Haus aus "Kartenverständnis", wie ich das nenne. Und deshalb fängt man im Verein damit an, zunächst einmal sogenannte Anfängerfehler auszumerzen, hebt sich Feinheiten bis zum Schluss auf. Lernt erst einmal die wichtigsten Regeln, lernt vor allem "keine Regel ohne Ausnahme". Und mit zunehmender Spielpraxis gewinnt der "Anfänger" an Sicherheit, entwickelt einen Instinkt, besgates Kartenverständnis. Fängt an, sich von starren Regeln zu lösen, selbständig zu denken und kommt dann z.B. auf Tronts Gedankengänge zum Thema "lohnt sich die Dulle hier oder kann ich sie später besser gebrauchen". Bei Anfängern bin ich schon froh, wenn die Dulle nicht auf den zweiten Herzlauf gelegt wird....

Mich überrascht bei manchen Diskussionen hier, wie sehr sich viele auf einen bestimmten Standpunkt "genau diese Karte und keine andere ist jetzt richtig" versteifen. Für mich wird dabei zu sehr der Faktor Mensch ausgeklammert - wie stark sind die MItspieler, zu welchem Spieltyp sowohl hinsichtlich Ansageverhalten als auch Kartentechnik zählen sie - dieser Faktor beeinflusst mein Spielverhalten sicher genauso wie mein eigenes Blatt. Viel wichtiger als die "Lösung" ist nach meiner Auffassung die Begründung, der Gedankengang, denn auf manche Ideen muss man erst einmal kommen. Ich bin deshalb den vielen guten Spielern sehr dankbar, dass sie uns hier an diesen Gedanken teilhaben lassen und so meinen Horizont erweitern.

Aber ob sie sich Anfängern schon erschließen oder diese damit vielleicht schlicht überfordert werden?

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