Ex-Füchse #4596, 16. Juli 2013, um 20:31
http://www.ardmediathek.de/das-erste/reportage-dokumentation/unser-wirtschaftswunder-die-wahre-geschichte?documentId=15880804
Hat sich das jemand zur Geisterstunde reingezogen?
Also mir nie so bewusst mein Leben lang so manipuliert worden zu sein.
Es ging ja um Legenden die recht lange vor meiner Geburt gestrickt wurden, die Endphase davon habe ich noch nicht mitdenkend erlebt. Die eine oder andere Schweinerei kam dann mal zur Sprache als ich es für mich bewerten konnte und ich konnte unsere Erfolgsgeschichte dann auch einordnen und relativieren.
Ham wir hier noch Zeitzeugen die diese Zeit bewusst miterlebt haben?
DagwoodBumstead, 17. Juli 2013, um 13:43
zuletzt bearbeitet am 17. Juli 2013, um 15:26
Das erste was ich zu dem Thema von meinem Geschiichtslehrer mitbekam war, "ein Wunder hat es ja nie gegeben".
Der Begriff "Wirtschaftswunder" kam eher aus dem Ausland. Denn da mussten besonders Engländer und Franzosen ihren Landsleuten erklären, warum es mit der deutschen Wirtschaft schneller bergauf ging als mit der eigenen. Deutschland hatte bereits 1951 beachtliche Exporte und einen ordentlichen Handelsüberschuss, exportierte doch das ausgebombte Deutschland deutlich mehr als es importierte (hauptsächlich Rohstoffe, keine Güter und Dienstleistungen) und nahm zudem auch noch mehr Steuern ein als es ausgab. Die Steuerüberschüsse kamen in einen "Finanzpool" aus dem sich dann ab 1955 die Bundeswehr bedienen konnte.
Auch mussten sich viele Deutsche, die mit "..die Alliierten haben ja den Krieg gewonnen ..." von englischer und französischer Seite ein skeptisches "...ach, wirklich?..." anhören.
Die Verbitterung der militärischen Sieger in Europa saß tief, den Krieg gewonnen aber vor riesigen wirtschaftlichen Problemen stehend, die Deutschland anscheinend schnell und nach der deutschen Währungsreform spielend in den Begriff bekam.
Auch musste die BRD zwischen 1949 und 1955 nicht einen Pfennig Steuergelder für eine eigene Armee ausgeben.
Tellerrand, 18. Juli 2013, um 13:34
zuletzt bearbeitet am 18. Juli 2013, um 13:34
Danke für den Hinweis, ein informativer Beitrag. Trotzdem glaube ich, daß die Mentalität der Deutschen neben den Gesamtumständen doch eine deutliche Rolle bei dem Aufschwung gespielt hat. Ich möchte noch auf eine andere wirklich sehenswerte Dokumentation hinweisen, die der Nachkriegsgeneration, zu der ich mich zähle sehr eindringlich vor Augen führt, welches Elend Krieg bedeutet: Als der Krieg nach Deutschland kam...insgesamt fünf Teile glaube ich...http://www.youtube.com/watch?v=UYFs1DqnT4U
Welch ein Glück in meiner Zeit gelebt zu haben!
Schelmut, 18. Juli 2013, um 13:39
Zitat: "... Nachkriegsgeneration, zu der ich mich zähle ...)
Willkommen im Club!
Bin Jg. 1970, also auch ein Kind von nach dem Krieg.
War Deine Omma auch ne Trümmerfrau?
Schelmut, 18. Juli 2013, um 13:41
PS: Der Krieg kam nicht nach Deutschland - der ging von hier aus.
Tellerrand, 18. Juli 2013, um 13:44
Das ist klar, aber die Dokumentation befasst sich mit dem Endstadium der Befreiung durch die Aliierten. Ich bin doch deutlich älter als Du und wenn wäre meine Mutter Trümmerfrau gewesen. Aber ich glaube sie war es nicht. Sie hat nichts davon erzählt und fragen kann ich sie nicht mehr.
DagwoodBumstead, 22. Juli 2013, um 14:57
Um auf Tellerands Beitrag vom 18. um 13:34 zurückzukommen: ...die Mentalität der Deutschen ...eine deutliche Rolle bei dem Aufschwung ...
Ich erinnere mich an eine Dokumentation über Großbritannien von den öffentlich rechtlichen Anstalten noch gut.
Da hieß es, als alle Briten Winston Churchill in den letzten Tagen des Krieges noch zujubelten, hatten sie sich innerlich längst von ihm abgewandt.
Er konnte ihnen nur noch den Sieg geben.
Das sie Überstunden und Überschichten sowie an Wochenenden arbeiten mussten, sahen sie zwar ein, es war ja Krieg und der musste gewonnen werden, aber von Churchills sozialen Reformplänen hielten sie nichts.
Churchill wollte England raus aus den Slums und dem Elend holen, durch einen Zeitraum langer harter Arbeit, da wollten ihm viele seiner Landsleute nicht folgen.
Tellerrand, 23. Juli 2013, um 12:54
zuletzt bearbeitet am 23. Juli 2013, um 12:54
Bitte ich möchte hier nicht mißverstanden werden. Ich halte die Deutschen nicht für bessere oder schlechtere Menschen als die Bürger in irgendeiner anderen Nation. Was ich meinte war auch gar nicht so sehr die Frage des Fleißes, sondern eher unser, ich betone unser, Hang zur Perfektion, sicherlich auch das Selbstverständnis oder die Ethik und der Enthusiasmus unserer Ingenieure (und zwar Ost und West, wobei im Osten das leider viel zu oft gedeckelt wurde) und nicht zuletzt der Umgang der Tarifparteien miteinander.
Ex-Füchse #4596, 23. Juli 2013, um 16:21
Hast Du den Bericht angesehen? Nicht Perfektion sondern das setzen auf Obsoleszenz war der Schlüssel zum Erfolg, das, was wir inzwischen bis zur Kotzgrenze ausgereichte erleben, produzieren für die Mülltonne.
Und die Ingenieursleistungen lassen sich nur Einzelpersonen zuschreiben, wenn man Bildung zu einem Exportprodukt an die Spitze bringen will gehört da entsprechende Ausbildung von der Schule an dazu. Und schulisch sind wir wohl eher Mittelmaß.
Tellerrand, 23. Juli 2013, um 21:29
zuletzt bearbeitet am 23. Juli 2013, um 21:38
Ich teile nicht die Auffassung des Berichts in allen Aspekten. Und natürlich gehört auch die begrenzte Haltbarkeit der Produkte zum Aufschwung , egal ob man das gut findet oder nicht. Aber das ist kein deutsches Spezifikum. Wer damals auf Nachhaltigkeit produzierte, drohte unterzugehen siehe z. B. Borgward.
Zum Schulsystem habe ich keine umfassende Meinung. Meine Ausbildung war ohne Zweifel gut und ich war erstaunt, wie wenig meinen Kindern vermittelt wurde. Aber das muß nicht allgemeingültig sein.
Tellerrand, 23. Juli 2013, um 21:43
Im übrigen Noddy hab ich mich darüber gefreut, daß Du den Beitrag reingestellt hast und ich hab ihn mit Interesse gesehen.