Unterhaltung: Mär von der Vollbeschäftigung

akaSilberfux, 04. Mai 2013, um 12:26

Die Idee des Bürgergelds finde ich auch revolutionär gut. Die Finanzierung ist eine hiervon zu trennende Frage, sie baut nicht notwendigerweise auf einem hohen Mehrwertsteuersatz auf. Hohe Mehrwertsteuer führt zu mehr Ausweichbewegungen ins Ausland und zum Schmuggel. Außerdem hat Noddy schon zu recht darauf hingewiesen, daß die Superreichen noch nicht einmal ihre Vermögenszuwächse nach Steuern konsumieren können.

Die gescheiterten 1 - € - Jobs: man kann dort eine Menge Geld verdienen (als Anbieter oder Koordinatinator dieser Jobs!) und trotzdem passiert so gut wie nichts. Die zu bohrenden Bretter sind einfach wahnsinnig dick. Vielfach bewegt sich in der Verwaltung nur etwas, wenn es einen Skandal gab. Ansonsten bleibt alles beim alten, weil das hier schon immer so gemacht worden ist. Das betrifft nicht nur die staatliche, sondern auch die kirchliche und soziale Verwaltung.

Noddy, eine verfestigte Klasse würde bereits finanziell nicht entstehen, weil der eigene ALG I - Anspruch behalten wird. Wer dann mit 3.000 € ankam, steht deutlich besser, als jemand mit 1.200 €. Auf keinen Fall will ich behaupten, daß die Idee zu Ende gedacht ist und all die Probleme auf dem Weg bereits gelöst sind. Mir geht es darum, daß wir die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft akzeptieren und die logischen Konsequenzen im Umgang mit den Arbeitslosen ziehen. Von dort aus gedacht kommt man zu neuen Ergebnissen und Entwicklungen, welche unsere Gesellschaft weiterentwickeln.

Stoni, 04. Mai 2013, um 15:28

Ich sehe in anderen Ländern einen höheren Zusammenhalt und mehr gegenseitige Hilfe der Menschen untereinander, seien es Familie, Freunde oder gar nur Nachbarn. Ein wenig mehr an gesellschaftlicher Solidarität und Mitwirkung und Reintegration wäre wünschenswert.
Bürgergeld als menschenwürdige Basis für alle ist eine wunderbare Idee.

Doc_Jule, 04. Mai 2013, um 15:55

@Terry
die "Ausweichbewegungen" wären unter Umständen gar nicht so gravierend, weil schlicht nicht dringend notwendig. Durch eine erhebliche Einsparung bei den Produtionskosten (da die Beitäge an die Versicherungen entfällt) kann der Grundpreis deutlich gesenkt werden. Dies hätte nebenbei noch zur Folge, dass im Lande produzierte Güter über einen günstigeren Grundpreis besser vermarktet werden können...nur mal so ein Gedanke von mir

Doc_Jule, 04. Mai 2013, um 16:02
zuletzt bearbeitet am 04. Mai 2013, um 16:07

ich möchte gern noch ein paar weitere Vorteile des Bürgergelds anführen:
Da niemand mehr darauf angewiesen sein würde, unter schlechten Bedingungen zu arbeiten, hätten Betriebe mit angemessener Bezahlung und gutem Arbeitsklima genug Arbeitskräfte während die, wo miese Arbeitsbedingungen herrschen, unter Umständen in personelle Engpässe geraten können. Das würde die Arbeitswelt grundlegend und zum Besseren hin verändern.
Weiterhin spräche mMn überhaupt nichts dagegen, Kapitaleinkünfte und/oder Vermögen (oberhalb einer festzusetzenden Grenze) zu besteuern
Ein weiterer Bausteine zur Finazierung ist der Wegfall vieler Behörden, die im Moment damit beschäftigt sind, die ganzen Steuern und Sozialabgaben zu verwalten.
Da neben der Grundversorgung sicherlich Bedarf an privater weiterer Vorsorge, sei es für Krankheit oder Alterseinkommen, vorhanden sein dürfte, könnten dort neue Arbeitsplätze entstehen.

Stoni, 04. Mai 2013, um 16:39

Es gibt schon einen Zusammenhang zwischen Leistung (Einkommen, Unternehmensgewinn), Vermögen (Ergebnis von Leistung) und Kapital (Mittel zur Erbringung von Leistung).
Alles 3 sind positive Komponenten und bedingen sich meist gegenseitig.
Ohne Kapital kann kaum jemand unternehmerisch tätig werden und Leistungen zum Wohle aller schaffen.
Die Bereitstellung von Kapital muss honoriert werden (Rendite) sonst kauft man mit seinem Geld nur noch totes Gold.
Die Erbringung von Leistung muss entsprechend honoriert werden (Einkommen), sonst setzt sich niemand mehr dem Risiko und den Anstrengungen aus. Auch die Ergebnisse von Leistung (Gewinn, betriebliches aber auch privates Vermögen) dürfen nicht grenzenlos belastet werden, sonst passiert selbiges.
Was wir brauchen, ist also ein Gleichklang.
Was wir in den letzten Jahrzehnten hatten und haben, ist aber ein starkes Mißverhältnis.
Der Leistungsbeitrag von Arbeitnehmern wurde und wird einseitig herabgewürdigt und nicht mehr gerecht honoriert.
Kapitalgeber, Anteilseigner wurden und werden einseitig begünstigt, fast schon verabsolutiert.
Unternehmer mit eigenem, langfristigen Interesse wurden und werden durch Manager mit fast ausschließlicher Finanzmarktorierung (shareholder value) und kurzfristiger Bonifizierung ersetzt.
Die Finanzmärkte verselbständigen sich und sind nicht länger Dienstleister für die Realwirtschaft. Die dortigen Renditen werden unter internationalem Wettbewerbsdruck staatlich subventioniert (nichts ist flüchtiger als Kapital) übersteigen Renditen der Realwirtschaft, Unternehmer werden zu Banken, Banken werden zu Zocker, die krampfhaft den Ackermannschen Hölle-Eigenkapitalrenditen von 20% hinterherjagen müssen, Unternehmen und Banken sind unter diesem Druck zur (il)legalen Steuerflucht gezwungen, Finanzmärkte wurden und werden aufgeblasen, leere Casino-Derivat-Zockerei bis in wahnsinnige Risikohöhen, die die Finanzinstitute selbst nicht mehr beherrschen können.
Unternehmen bekommen nicht mehr genügend Kapital zur Verfügung gestellt, Politiker und Gewerkschaften resignieren vor der Macht der Finanzmärkte.

Soweit mein Versuch, die aktuelle Schieflage zu beschreiben. Zunächst müssen wir den Weg hieraus finden. Auch zukünftig, auch im Modell des Bürgergeldes wird es entscheidend sein, ob es gelingt, Leistungsanreize zu schaffen, die Potentiale des Einzelnen optimal zu nutzen zum Wohle aller.
Dabei darf es weder zu faktischen Enteignungen privater Unternehmungen noch zum Abschneiden des Kapitalflusses noch zur Demotivation und Entrechtung der Arbeitnehmer kommen.

Doc_Jule, 04. Mai 2013, um 17:12

@Stoni
Demotivation und Entrechtung der Arbeitnehmer haben wir ja bereits, viel schlimmer kann es wohl kaum noch werden.
Ein Leistungsanreiz besteht ja schon darin, sich "mehr leisten zu können", wenn man neben dem Bürgergeld einer Berufstätigkeit nachgeht, ganz abgesehen davon bin ich davon überzeugt, dass die Mehrheit der Menschen arbeiten will, denn die Beteiligung am Arbeitsleben (unter guten Arbeitsbedingungen) bringt nicht nur Einkommen, sondern auch das Bewusstsein, "etwas beizutragen"
Ich habe mir übrigens mal "den Spaß" gemacht. für meinen eigenen, zugebenermaßen sehr personalintensiven, kleinen Betrieb nachzurechnen:
Die Gesamtsumme von Lohnnebenkosten, meiner eigenen Kranken-und Sozialversicherung und Lohnsteuer meiner Angestellten sowie meiner eigenen Einkommensteuer betragen 21%! des Umsatzes aus der reinen Dienstleistung.
Das bedeutet, ich könnte meine Dienstleistung sehr viel günstiger erbringen, so dass eine Erhöhung des MWSt-Satzes auf 35% oder mehr nicht ins Gewicht fallen würde. (Nicht in diese Rechnung sind Kosten eingeflossen, die sich nicht oder nur unwesentlich ändern, wie Raumkosten oder Warenlieferungen)

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