Unterhaltung: Russland von heute

Stoni, 21. Dezember 2013, um 12:32

Eigentlich wollte ich ja nicht mehr schreiben, aber sry ich kann nicht anders:

Kurz: In DEU wird gerade ein 100%iger Schurke und ein 99,99% Verbrecher als Freiheitsheld gefeiert, nur weil er gegen Putin ist. Inormationen werden dabei von unseren Medien vorenthalten und verfälscht. Er mag rechtsstaatlich unter zweifelhaften Umständen verurteilt worden sein. Aber allemal berechtigt.

Fanthomas, 21. Dezember 2013, um 13:21

Hättest Du mal lieber geschwiegen...

Stoni, 21. Dezember 2013, um 13:51

Lese mal die heutigen Kommentare im Spiegel, FAZ ... 90% klagen die Medienberichte als einseitige Propaganda an. Chordokowski hat sich Yukos für 309 Mio $ unter den Nagel gerissen, obwohl andere Milliarden an den russischen Staat zahlen wollten. Das ist 100% Fakt. Und damals auch von niemand bestritten. Und auch nach der Amnestie für diese Privatisierungsverbrechen 2003 hat er weiter gemacht.
Aber mit Wahrheit über RUS hast du es ja noch nie gehabt.

Seltsam, 21. Dezember 2013, um 14:09
zuletzt bearbeitet am 21. Dezember 2013, um 14:09

ah, Chips und Cola Zeit mit Radio Kotzbrocken Ostberlin: Neuestes aus lieb Russland!

Stoni, 21. Dezember 2013, um 14:17

Ich trete für die Wahrheit in alle Richtungen ein: Gestern wurde die Bewährungsstrafe des Umweltaktivisten Jewgeni Witischko in eine 3jährige Gefängnisstrafe umgewandelt. Er hatte gegen die Umweltzerstörung für Sochi 2014 mit Aktionen protestiert, die nach russischem Recht so nicht hätten bestraft werden dürfen. Die Verfolgung und Ruhigstellung kritischer Journalisten im Vorfeld der Olympiade ist scharf zu verurteilen. Dem niederländischen Journalisten Rob Honstra, der mit http://thesochiproject.com wertvolle Arbeit über die Landschaft, die Menschen in Sochi und der Kaukasus-Region lieferte, wurde die Einreise verweigert, die Ausstellung in Moskau abgesagt usw... trotz Verwandter in der Nachbarschaft werde ich 2014 nicht nach Sochi fahren.

Seltsam, 21. Dezember 2013, um 14:37

Das ist wunderbar, daher gebe ich Dir meine Stimme als Weltwahrheitspräsident!

Die Правда z.B. hat ja auch schon immer nur die reine Wahrheit geschrieben.
Ich bin der Meinung, eine Schuldfrage in Russland, die zurück in die Zeit der politischen und wirtschaftlichen Neuordung fällt, hat mehr Stellen hinterm Komma als Pi. Das gilt exemplarisch für den Fall Chodorkowski.

Friedrich, 21. Dezember 2013, um 14:43

Alle auf Stoni!!!!!! Wer is dabei???
Dass er nicht ganz falsch liegt, interessiert doch allenfalls am Rande.

Seltsam, 21. Dezember 2013, um 14:49
zuletzt bearbeitet am 21. Dezember 2013, um 14:50

Weder "nicht so ganz" noch "vollkommen daneben". Aber aus einer Zeit, als in Russland regelrechte Wirtschaftsanarchie herrschte, von "Verbrechern" zu reden, ist ein bisschen zu kurz geraten und wieder mehr polemisierend und diskussionshinderlich. Ich würde mich da schon über eine differenzierte und vernünftige Debatte freuen, was aber mit dem Vortrag kaum noch möglich ist.

Friedrich, 21. Dezember 2013, um 14:57

Mit der Antwort kann ich leben.
Was mir allerdings (wie offenbar auch Stoni) ebenfalls auf den Sack geht, ist dass sich deutsche Leitmedien, wie z.B. heute die Süddeutsche, in schöner Regelmäßigkeit nicht zu blöd sind, Chodorkowski als "Oppositionspolitiker" zu betiteln und ihn in ihren Artikeln auch ausschließlich als solchen darfstellen.
Von differenzierter Betrachtung ist das nämlich mindestens ebenso weit entfernt.

Stoni, 21. Dezember 2013, um 15:31

Der Fall Chordokowski beginnt nicht, wie in unseren Medien gestern berichtet mit dessen Zerwürfnis mit Putin 2003, sondern bereits in der Phase des grossen Chaos der 90er und früher.

C. war Ende der 80er Funktionär der sowjetischen Jugendorganisation Komsomol, die mit Erlaubnis Gorbatschows privatwirtschaftlich tätig sein durfte. 1989 wurde er Vorsitzender der Kommerziellen Innovationsbank. 1990 kaufte diese Bank dem Staat alle Aktivitäten von Komsomol (NTTM) ab - Menatep war geboren. Parallel ging er als Berater, Organisator und Finanzier in die Regierung Jelzins und stützte dessen Wahlkampf 1993.

1995 nahm Chodorkowski an Kabinettssitzungen teil, die die Privatisierung von Erdölunternehmen regelte. Mit diesem Wissensvorsprung und Kontakten konnte seine Menatep-Bank Aktienanteile des Mineralölunternehmens Yukos in ihren Besitz bringen. Als Hausbank von Yukos sorgte er nun dafür, dass die verdeckte Manetep-Tochter Rosprom unter Leitung von Platon Lebedew bei den Auktionen 95/96 von Yukos allein zum Zug kam, Mitbieter wurden Informationen und der Zugang zur Auktion vorenthalten. Chodorkowskis Rosprom bekam so den riesigen Yukos-Konzern (Wert damals schon rund 10. Mrd $) für 309 Mio. $ vom Staat RUS.

Chodorkowski ist also zu 100% ein Privatisierungsbetrüger, der RUS viele Milliarden gestohlen hat.

Aber das ist ein Verbrechen, für das es 2003 eine Amnestie gab, warum auch immer, und für das er nicht mehr verurteilt werden konnte. Was kam noch?

Stoni, 21. Dezember 2013, um 15:36

In dieser Zeit stützen er und andere Oligarchen wie Beresowski, Abramowitsch die Wiederwahl Jelzins mit 500 Mio$ Wahlkampfhilfe, erlaubt waren nach russischen Gesetzen 30 Mio. Nach der Wahl wurde er Mitglied des Konsultativrats für Bankwesen bei der russischen Regierung.

Rosprom und Yukos fusionierten, C. wurde nun auch offiziell deren Vorstandsvorsitzender. 1998 versuchte er ausserdem den Ölkonzern Sibneft zu übernehmen. Er geriet schon damals (vor Putin) mit der Regierung in Konflikt, das Energieministerium strengte einen Prozeß gegen ihn an. 1999 unterstützte er im Wahlkampf die rechtsliberale Oppositionspartei Jobloko und die Kommunisten (!).

Ganz offen und mehrfach verkündete Chodorkowski, dass er als reichster Mann RUS Parlamente und Wahlen kaufen und bestimmen könne.

2002/2003 übernahm er auch den riesigen Erdölkonzern Sibneft. Er führte Verhandlungen mit den US-Ölkonzernen ExxonMobil und Chevron Texas, die diesen die Übernahme Großteile der russischen Erdölvorkommens erlauben sollte.

Fast alle Oligarchen sind in den 90er Jahren auf ähnlichem Weg zu ihren Vermögen gekommen, auf Kosten des Staates und seiner Menschen.

Joseph Stieglitz, Chefökonom der Weltbank beschrieb es so: "Unter Jelzin entwickelte sich eine Form des politischen Kapitalismus, bei der der Staat von privaten Wirtschaftsinteressen übernommen und benutzt wurde, um private Profite zu sichern. Putin hat viele Aspekte dieser Politik rückgängig gemacht."

Putin verabschiedete Hunderte neuer Gesetze, er führte eine geringe Flat-Tax für alle von 13% ein, damit mehr als 5% der Firmen wieder Steuern zahlen und suchte nach neuer Stabilität.
Es kam in Verhandlungen mit den Oligarchen - die RUS politisch und wirtschaftlich in den 90ern bestimmten - zu folgendem Ergebnis:

RUS beschließt eine Verkürzung der Verjährungsfristen für Privatisierungsverbrechen von 10 auf 3 Jahren. Damit spricht Putin quasi eine Amnestie für die Oligarchen-Verbrechen der 90er aus und sichert diesen die Milliarden, die sie unrechtmäßig ergaunert hatten!
Im Gegenzug aber verpflichten sich die Oligarchen, ihre ergaunerten Milliarden nicht auch noch dafür einzusetzen, RUS politisch zu bestimmen.

Man erinnere an Chodorkowski "Ich kann Parlamente und Wahlen kaufen". Auch Beresowski behauptete wohl zu Recht, dass er in den 90er Jahren mit 5-6 anderen 60% der Wirtschaft RUS und dessen Politik kontrollierten. Auch die Auswahl Putins als Präsidentenkandidaten wurde 1999 von den grossen Abramowitsch, Beresowski, Chodorkowski + bestimmt und nicht etwa von einer Partei o.ä.
(Putin hatte sich bewiesen, als er dem Generalstaatsanwalt RUS, der wegen Korruption gegen Jelzin + einige Oligarchen ermittelte, mit einer Prostituierten eine Falle stellte.)

Seltsam, 21. Dezember 2013, um 15:39

Erzähl das deinen Fussnägeln, die widersprechen dir auch nicht. Mit Dennis Rodman wirst Du dich auch sehr gut verstehen. Besuche ihn doch mal.

Stoni, 21. Dezember 2013, um 15:40

Die Amnestie der Oligarchen-Verbrecher ist moralisch-politisch für mich ein Armutszeugnis.
Aber wirtschaftlich, und politisch pragmatisch sah Putin damals keine andere Lösung. Die Stabilität des Landes und das angestrebte wirtschaftliche Wachstum erschien Putin ohne die bestimmenden Oligarchen nicht möglich.

Eine juritsische Aufarbeitung aller Privatisierungs-Verbrechen der 90er wäre etwa mit einer vollständigen Entnazifizierung der BRD nach dem 2. WK vergleichbar gewesen. Fast alle Politiker, "Staatsdiener", hohe Beamte, vor allem auch Jelzin, seine Tochter, der ganze Clan hätte vor Gericht gemusst.

Ein Machtkampf, der wohl erstens kaum zu gewinnen gewesen wäre, zweitens das Land weiter destabilisiert hätte und drittens gegen Putins erzwungene lebenslange Immunität für Jelzin verstossen hätte. Man kann sich streiten, ob Putin dieses Risiko häte eingehen sollen, müssen ..

Die Oligarchen sollten also in ihrer politischen Macht begrenzt und ihre Vormacht in den Medien abgebaut werden. Zudem sollten die zahlreichen Verbrechen, Journalisten-Morde, Korruptionen im Zusammenhang mit dem Kampf ums grosse Geld beendet werden.

Oligarchen wie Roman Abramowitsch hielten sich an diesen Deal, politisch aktiv war dieser zB "nur" noch als Gouverneur der Region Tschukotka tätig, von 2000-2008. Andere wie Bereswoski oder eben auch Chodorkowski wollten aber mit dieser Vormacht weiter machen. Und 2003 kam es vor laufenden Fernsehkameras dann zum berühmten Show-Down zwischen Putin und Chodorkowski.

Zur Bewertung des Ganzen sind jetzt verschiedene Aspekte zu beleuchten. Politisch/moralisch sollte klar sein, dass die Begrenzung der Macht der Oligarchen, basierend auf ihre ergaunerten Milliarden, sogar auch aus demokratischen Gründen notwendig und richtig war.

Rechtsstaatlich sieht das anders aus. Es ist gut möglich bis wahrscheinlich, dass die Prozesse gegen Chodorkowski nicht die erforderlichen Beweise lieferten und er eigentlich nicht hätte verurteilt werden dürfen, auch wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen zwar unfairen aber keinen politisch motivierten Prozeß sehen konnte.

Zu 100% ist Chordokowski aber ein Privatisierungs-Gewinnler, der das Volk um Milliarden gebracht hat, ... Zu 99,99 % bin ich überzeugt, dass er nicht unschuldig im Gefängnis saß ... ob die ganzen Vorwürfe berechtigt waren, Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Auftragsmorde seines Sicherheitschefs ... ob er tatsächlich, das von ihm mehrheitlich kontrollierte Yukos-Gas unter Marktpreis an seine 100% Firma verkauft hat, damit er es mit fetter Gewinnspanne an Dritte im Ausland verkaufen konnte .... Steuern nicht vollzahlte ... ich weiß es nicht.

Aber alles spricht dafür. Auch der IWF beklagte, dass Konzerne wie Yukos Steuern im Milliarden-Höhe hinterziehen. Die Niederlande ermittelte gegen ihn wegen Geldwäsche in Milliardenhöhe und selbst das Handelsblatt forderte 2005 eine Ausweitung der Anklage wegen Betrugs.

Ob also seine Schuld in den Prozessen bewiesen werden konnte, oder ob das Urteil auf politischen Druck hin gefällt wurde, ... ich weiß es nicht.

Auf jeden Fall finde ich es nicht in Ordnung, die Freilassung dieses zwielichtigen Mann zu feiern wie seinerzeit die von Nelson Mandela.

Nicht jeder, der gegen Putin ist, ist ein guter Mensch.
Und es ist auch nicht in Ordnung, die Wahrheit, Informationen, zu verheimlichen, zu ignorieren, die Pressefreiheit mit Füßen zu treten. Die gestrige Bereichterstattung in den Medien war ein blindes RUS-Bashing, Propaganda-TV, wie man es RUS vorhält, Desinformation, wertende Berichterstattung und das nicht erst in den Kommentaren, wo sie hingehören.

P.S.: Otto Graf Lambsdorff war übrigens Mitglied im Advisory Board von Chordokowskis Menatep.

Seltsam, 21. Dezember 2013, um 15:41

Ah, und Copy Paste ist wieder dran.... kotz!

Bussekater, 21. Dezember 2013, um 17:01

Immer wieder schön Seltsam qualifizierten Beiträge hier zu lesen.

Seltsam, 21. Dezember 2013, um 18:30

Freut mich zum deinen Unterhaltung beigetragt zu habm.

Ex-Füchse #11750, 21. Dezember 2013, um 18:35
Dieser Eintrag wurde entfernt.

Ex-Füchse #11750, 21. Dezember 2013, um 20:39
Dieser Eintrag wurde entfernt.

Stoni, 21. Dezember 2013, um 21:11

.. weil der ebenfalls vorbestrafte Graf den Kontakt zum Parteifreund gemacht hat oder weil die jetzt mit einer fetten Spende rechnen dürfen?

Stoni, 21. Dezember 2013, um 21:13

.. aber es passt ja, in der Partei der Steuerhinterzieher und Wirtschaftskrimellen sorgt man füreinander

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